Was soll ich sagen? Nach dem erfolgreichen Abschluss der dritten Etappe könnte ich schon ein ganzes Buch schreiben. Zweimal stand ich bereits auf dem Podest, hatte einen Sturz auf der ersten Etappe und verbrachte einen ganzen Nachmittag im Krankenhaus. Aber eins nach dem anderen.
1. Etappe: Ein Bunnyhop ist manchmal einer zu viel
Das Abenteuer Brasil Ride begann offiziell am Samstag mit der Registrierung und dem UCI Teammanager Meeting. Dann war es so weit, die erste Etappe startete am Sonntag um 8:00 Uhr Ortszeit (13:00 Uhr CET). Ich war nervöser als bei meinen bisherigen Rennen in dieser Saison, denn ich hatte überhaupt keine Ahnung, was mich erwartete. Die erste Startreihe bestand aus Hans Becking, Tiago Ferreira, mir und Henrique Avancini, der nach diesem Rennen seine aktive Karriere beendet und daher besonders im Fokus stand. Er ist hier in Brasilien ein absoluter Star. Der Start war sehr nervös, die Etappe bestand aus vielen kurzen, steilen Anstiegen, die in einem ultraschnellen Tempo gefahren wurden. Aber ich habe mich gut halten können und hab mich natürlich gefreut gleich an meinem ersten Tag auf dem Podest zu stehen.
Anfangs lief alles super für mich, und ich konnte in der Spitzengruppe mithalten. Aber dann, 20 km vor dem Ziel, beging ich in einer hektischen Situation einen Fehler. Ich wollte den vor mir fahrenden Brasilianer Edson Junior im Singletrail überholen, sprang über einen Baumstumpf, hinter dem aber kein Boden war uns so landete ich unsanft auf der anderen Seite. Ich überschlug mich über den Lenker und schlug direkt mit dem Gesicht auf. Das war schmerzhaft, und meine Wange schwoll sofort an. Trotzdem fuhr ich weiter und erreichte als Dritter das Ziel. Nach dem Rennen wurde ich sofort von der Rennärztin untersucht und dann ins Krankenhaus geschickt, weil der Verdacht auf einen Jochbeinbruch bestand. Aber bevor ich das Krankenhaus aufsuchte, musste ich natürlich noch zur Siegerehrung, um meine erste Kokosnuss abzuholen – die brasilianische Variante eines Siegerpokals.
Ich möchte betonen, dass die medizinische Betreuung seitens des Veranstalters wirklich top war. Sie kümmerten sich um mich und begleiteten mich den ganzen Nachmittag über. Mein Rettungssanitäter brachte mich zunächst ins Hotel, damit ich mich schnell duschen und einen Rucksack packen konnte. In dieser Zeit kontaktierte ich sofort die Versicherung in Deutschland, um alles zu regeln, holte ärztlichen Rat aus Deutschland ein und begab mich dann ins Krankenhaus in Arraial d’Ajuda.
Leider war mein Fahrer nicht der Beste, also übernahm ich das Steuer, nach mehreren Versuchen seinerseits, und er navigierte mich. Ich wusste, dass ich, falls mein Jochbein wirklich gebrochen war, nicht hier operiert werden wollte, sondern so schnell wie möglich nach Hause wollte. Also saß ich in diesem Freiluft-Warteraum und wartete auf das Röntgen. Zum Glück sprach meine Begleitung Portugiesisch, jedoch kein Englisch. Wir konnten aber mit Google Übersetzer kommunizieren. Nach etwa 30 Minuten war ich an der Reihe, doch dann musste ich erneut warten. Die Bilder waren bereits vor dem Arztzimmer, und meine Begleitung zögerte nicht lange, steckte sie unter sein T-Shirt und signalisierte mir, dass wir gehen sollten. So fuhr ich mit ihm als Beifahrer zurück zum Rennarzt, der sich meine Bilder ansah. Weder er noch meine beiden Ärzte in Deutschland konnten einen Bruch erkennen.
An dieser Stelle möchte ich mich nochmals herzlich bei Martin Ruf und Simone Höltner bedanken. Sie waren etwas verwundert über die Bilder, denn so röntgt man in Deutschland normalerweise kein Jochbein. Dennoch, um sicherzugehen, sagten alle drei, dass ein CT notwendig sei. Also fuhren wir ins nächste Krankenhaus in Porto Seguro, eine 50-minütige Autofahrt entfernt. Auch hier gab es wieder Wartezeit, aber zum Glück nicht allzu lange, da mein Begleiter die Hintertüren kannte.
Im Wartezimmer gab es ein kleines Durcheinander: Ich sah, wie ein Mann von der Liege fiel und sich eine Platzwunde zuzog. Doch er wurde einfach wieder hochgehieft und kurzerhand verbunden. Ein anderer Patient saß mit seinem Oberkörper über seinen Beinen im Rollstuhl, und es war nicht gerade hygienisch.
Nach meinem CT ging ich ins Behandlungszimmer, wo mir ein deutschsprachiger Arzt gegenübersaß. Er sagte: „Nichts gebrochen.“ Zur Sicherheit wurden die Bilder noch einmal nach Deutschland und zum Rennarzt geschickt, und alle gaben grünes Licht. Es war bereits 17:15 Uhr, ich hatte noch keine Gelegenheit zur Erholung gehabt, noch nichts gegessen und um 18:30 Uhr musste ich bereits wieder bei der Abendsiegerehrung sein, was ich auch schaffte. Endlich konnte ich auch etwas essen. Um 20 Uhr kehrte ich dann ins Hotel zurück, wo ich noch das Bike richten und alles packen musste, um am nächsten Tag bereit für die Überfahrt ins Camp nach Guarantinga zu sein. Zusammengefasst: Das Ergebnis der ersten Etappe war top, die Erholung jedoch ausbaufähig.
2. Etappe: Mit dicker Backe wieder aufs Podium
Am nächsten Morgen wachte zwar mit einer dick geschwollenen Wange auf, fühlte mich aber weitestgehend einsatzbereit für die zweite Etappe. Ich beschloss, es zu versuchen, aber ich hatte im Kopf, im Rennen, falls nötig, langsamer zu machen, denn die Gesundheit geht schließlich vor. An diesem Tag hatten wir eine Transfer-Etappe über 134 km vor uns, und ich wollte unbedingt in der Gruppe bleiben, sonst würde es ein sehr langer Tag werden. Die Wege waren breit, das Tempo war hoch und die Gruppe wurde immer kleiner. Ich wurde ein paar Mal abgehängt, konnte aber immer wieder zurückkommen. Etwa 15 km vor dem Ziel, auf dem letzten Anstieg, trennte sich die Gruppe erneut. Vorne waren nur noch Tiago und Henrique, dahinter befand sich die Gruppe mit Hans Becking, Lukas Kaufmann und mir. Im Sprint konnte ich dann gewinnen und wurde erneut Dritter. Das hatte ich nach dem vorherigen Tag nicht erwartet, und ich war zunächst einfach erleichtert, dass ich überhaupt fahren konnte, nichts gebrochen war und mein Abenteuer Brasil Ride weiterging. Jetzt freute ich mich darauf, im Camp in Guarantinga anzukommen und war gespannt, was die nächsten Tage bringen würden.
Der Nachmittag am zweiten Renntag verlief deutlich entspannter. Nach dem gemeinsamen Abendessen mit allen Teilnehmenden ging es bereits um 21 Uhr ins Zelt. Hier werden wir die nächsten drei Nächte verbringen, bevor es wieder zurück nach Arraial d’Ajuda geht.
3. Etappe: Schadensbegrenzung im Cross-Country-Modus
58 km und 1.080 Höhenmeter, 35 Grad Celsius – meine persönlichen Traumbedingungen auf der 3. Etappe: Beim Warmfahren spürte ich jedoch früh, dass heute ein harter Tag für mich werden würde, und so war es dann auch. Das Tempo war von Anfang an extrem hoch. Hans Becking gab richtig Gas, sodass es sich anfühlte, als würden wir heute ein Cross-Country-Rennen fahren. Während des längsten Anstiegs des Tages zerfiel unsere 15-köpfige Gruppe allmählich.
Am höchsten Punkt befand ich mich auf dem fünften Platz, allerdings schon mit einigem Abstand zu den ersten drei Fahrern, die auch die Gesamtwertung anführten. Diese konnte ich heute nicht mehr einholen, abgesehen von Hans, der leider einen Defekt hatte. Gemeinsam mit fünf anderen Athleten sprintete ich ins Ziel und wurde Fünfter. Das Tagesergebnis war an diesem Tag nicht so wichtig für mich. Mein Hauptziel war es, in der Gesamtwertung Zeit gutzumachen, und jetzt befinde ich mich mit knappem Vorsprung auf Hans Becking auf dem dritten Platz.
Nun heißt es regenerieren, das Rad in Ordnung bringen und mich auf morgen vorbereiten. Es wird noch heißer als heute, und uns erwarten 100,8 km mit 2.440 Höhenmetern unter anderem mit einem dicken 600 Höhenmeter-Anstieg.
Wir hören uns bald wieder! Beim nächsten Mal gibt’s noch ein paar mehr Insights in unser Campleben hier in Brasilien. Seid gespannt!
Euer Stiebi