Hier sitze ich jetzt wieder im Hotel in Arraial d’Ajuda und denke an die letzten drei aufregenden Nächte und vier abwechslungsreiche Tage im Camp in Guaratinga zurück. Aber schauen wir zuerst auf das sportliche Geschehen, bevor ich über das Camp selbst berichte.
Für die Königsetappe am Mittwoch waren bereits am Tag zuvor sehr hohe Temperaturen vorhergesagt, noch heißer als bei der 3. Etappe zuvor, und genau so kam es auch. Meine Taktik auf dem sehr welligen Profil war am Anfang nicht zu überziehen. Ich fuhr die kurzen, steilen Rampen in meinem Tempo und ließ die Spitzengruppe ziehen. Ich wusste, der längste Anstieg der ganzen Rundfahrt mit stolzen 700 Höhenmeter lag noch vor uns.
Über die Spitze des Anstieges sind wir dann schon zu dritt gegangen: Henrique, Tiago und ich. In der nächsten Verpflegungszone haben wir unsere Flaschen aufgefüllt und uns mit zusätzlichen Wasserflaschen abgekühlt. Ich hatte Sorge, dass mir die Hitze später zum Verhängnis werden könnte und nahm deshalb etwas mehr Wasser zu mir – und das zahlte sich aus. In dieser Phase schlossen Hans Becking und Edson Junior zu uns auf und wir waren zu fünft an der Spitze unterwegs. An jedem Waterpoint hielten wir an, um unsere Flaschen aufzufüllen und trotz Camel Back und zwei Flaschen am Bike waren die Getränke bei der nächsten Verpflegungsstation leer. Daher empfehle ich jedem, der dieses Rennen bestreiten möchte, unbedingt einen Camel Back mitzubringen.
Am Ende gab es steile Rampen mit wenig Schatten und ich hatte schon zu diesem Zeitpunkt Mitleid mit den Amateurfahrern, die teilweise doppelt so lange für die Strecke brauchten. Die Hitze hatte das Rennen mehr oder weniger ausgeglichen und so kam es zu einem Zielsprint in unserer Fünfergruppe, den ich für mich entscheiden konnte und somit meinen ersten Etappensieg beim Brasil Ride einfuhr. Die letzten Fahrer benötigten für die Königsetappe 9,5 Stunden und kamen erst bei Einbruch der Dunkelheit ins Ziel. Ich ziehe meinen Hut vor all denen, die durchgehalten haben. Zwischendurch hatte ich sogar Gänsehaut und konnte nur verschwommen Sehen. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob das alles wirklich gesund war. Ich hätte mir gewünscht, dass der Veranstalter angesichts der vorhergesagten Hitze und des mangelnden Schattens die Etappe verkürzt hätte. Wir Profis können das noch verkraften, aber die Amateurfahrer sind einfach viel länger unterwegs.
Am Nachmittag war Abkühlen angesagt, was im Zelt aufgrund der extremen Hitze nicht einfach war. Wir waren dankbar für jeden schattigen Platz, die Hängematten vor der großen Zelthalle und den kleinen Verkaufsstand, an dem kühle Getränke erhältlich waren.
An diesem Verkaufsstand gab es auch das Mittagessen, das nicht in der Startgebühr enthalten war. Zur Auswahl standen Pasta mit verschiedenen Saucen oder Hamburger mit Pommes. Genug, um den Hunger nach dem Rennen zu stillen und zumindest ein wenig Energie zu tanken. Im Camp in der Nähe von Guaratinga gibt es nicht viel mehr zu tun. Essen, Schlafen, Radrennen fahren und das Rad vorbereiten. Guaratinga liegt etwa 10 Minuten mit dem Auto entfernt. Zur Campausstattung gehört außerdem eine große Zelthalle, in der sowohl das Frühstück als auch das Abendessen und die Abendsiegerehrung stattfinden. Das Frühstück bietet Obst, Müsli, verschiedene Brötchen, Kartoffeln, Reis und sogar frisch zubereitete Eier an zwei Stationen. Abends gab es verschiedene Salate, Reis, Bohnen, Pasta und Gemüse, natürlich auch einen Nachtischbereich mit Eis und Obst. Das Essen war wirklich gut und man wurde definitiv satt. Es war auch toll, dass hier alle Fahrer, der Staff und die Organisatoren gemeinsam aßen. Die Tische waren immer bunt gemischt, und man fühlte sich wie in einer großen Familie, die gerade dasselbe durchmacht.
Neben der Shimano-Service-Station, dem rund um die Uhr bewachten Fahrradparkplatz und einer Abwaschstation gibt es etwas abseits vom Camp weitere Servicestationen, die jedoch kostenpflichtig sind. Diese sind die gleichen wie vor unserem Hotel in Arraial d’Ajuda, daher habe ich mein Fahrrad jeden Tag dorthin gebracht. Die Jungs haben es gewaschen und die Bremsbeläge ausgetauscht, sodass ich abends nur noch Feinschliff betreiben musste. Im Camp gibt es natürlich auch einen Sanitärbereich. Es gab ausreichend Toiletten und Duschen in großen Containern. Nur zu Stoßzeiten musste man gelegentlich kurz warten. Es war insgesamt recht sauber, nach jeder Benutzung wurde gereinigt, daher kann man sich nicht beschweren. Zusätzlich kamen immer wieder Leute aus dem Dorf Guarantinga, die einen kostenpflichtigen Wäscheservice für die verschmutzen Kleider anboten.
Geschlafen wurde in Zelten, außer Henrique Avancini, der einen Wohnwagen hatte. Es gab zwei Arten von Zelten: Das Standardzelt für eine Person und die VIP-Version, bestehend aus einem großen Zelt mit zwei Kabinen, Strom und Sitzgelegenheiten. Hier durften wir nächtigen. Ich konnte tatsächlich recht gut schlafen, obwohl ich nicht gerade der Camping-Typ bin und mich bereits nach der ersten Nacht zurück ins Hotel sehnte. Aber für drei Nächte ging das schon. Bis auf die letzte Nacht war alles in Ordnung. Denn nach der Hitze auf der Königsetappe folgte in der Nacht auf Donnerstag ein heftiges Gewitter mit Starkregen, direkt über uns. Blitze und Donner wie ich es selten erlebt habe, dazu diese erdrückende Schwüle. Ich konnte kaum schlafen. Und so stand ich am Morgen der fünften Etappe mit einem heißen Kopf am Start, als wäre ich fiebrig. Das lag sicher daran, dass ich mich im Camp am Tag zuvor nicht ausreichend abkühlen konnte. Zwar freute ich mich, dass es nicht mehr so heiß war, aber die Schwüle und die Aussicht auf schlammige Strecken machten das Rennen nicht weniger anspruchsvoll.
Und so war es auch. Ich kämpfte mich durch diese Etappe. 20 Kilometer vor dem Ziel brach unsere fünfköpfige Führungsgruppe auseinander. An der Spitze waren Henrique Avancini und Tiago Ferreira, dahinter Roberto Bou und ich. Für mich und die Gesamtwertung war es wichtig, dass Hans Becking nicht mehr dabei war. Obwohl ich gemeinsam mit Roberto die Lücke zur Spitze nicht mehr schließen konnte, sicherte mir der vierte Platz an diesem Tag fast 6:30 Minuten in der Gesamtwertung gegenüber Hans Becking. Die Etappe endete in Eunápolis und man wird hier mit Bussen zurück nach Arraial d’Ajuda gebracht. Die Räder werden auf Lastwagen verladen. Ich war froh, dass wir hier unser Auto hatten und ich nach dem Duschen direkt zurückfahren konnte. Jetzt sind wir wieder im Hotel und ich freue mich nach meinem Mittagsschlaf auf das Abendessen.
Es sind jetzt noch zwei Etappen. Wir hören uns nach dem letzten Tag des Brasil Ride wieder.
Euer Stiebi